Am 1. Mai 2014 ist das neue Raumplanungsgesetz des Bundes (RPG 1) in Kraft getreten. Man kann dies gut finden oder auch nicht. Fakt ist: Es stellt den Kanton Graubünden vor enorme Herausforderungen. So müssen der kantonale Richtplan und das kantonale Raumplanungsgesetz an das neue Bundesrecht angepasst werden. Umso wichtiger wäre es, die Umsetzung möglichst prioritär an die Hand zu nehmen und die Handlungsfreiheiten, welche uns das Bundesrecht noch belässt, auszunutzen. Stattdessen stelle ich im Kanton Graubünden eine Fahrt im Schlafwagen fest. Besonders brisant ist nämlich die Übergangsbestimmung in Art. 38a RPG, wonach die betroffenen Kantone bis zur Genehmigung des neuen kantonalen Richtplans die Fläche der rechtskräftig ausgeschiedenen Bauzonen insgesamt nicht vergrössern dürfen. Es geht also um die Entwicklung unseres Kantons in den nächsten 10-15 Jahren, die wir so rasch wie möglich anpacken müssen. Ich fragte deshalb die Regierung in der Junisession 2017, wann der revidierte Richtplan nach Bern zur Genehmigung geschickt werde, nachdem die Vernehmlassung bereits im Februar 2017 abgeschlossen wurde. Von der Regierungsbank hiess es, dass der Richtplan „bis Ende Jahr – wenn möglich“ dem Bund eingereicht werde.
Leider müssen wir, dass der Kanton Graubünden über zu grosse Bauzonen verfügt. Ab- und Rückzonungen werden vor allem in den peripheren Regionen vorgenommen werden müssen. Dies wird zu Entschädigungszahlungen der jeweiligen Gemeinden an die betroffenen Grundeigentümer führen. Demgegenüber wird in den Zentren weiterhin eingezont werden können. Man könnte auch sagen: Im Kanton Graubünden gilt das umgekehrte Robin-Hood-Prinzip: Den Armen wird genommen und den Reichen wird gegeben. Umso wichtiger ist, dass die Gemeinden, welche aufgrund von Auszonungen entschädigungspflichtig werden, dafür entschädigt werden. Hier sehe ich klar den Kanton und diejenigen Gemeinden in der Pflicht, welche noch einzonen können. Denn aufgrund der neuen Bundesgesetzgebung sind Planungsvorteile mit mindesten 20% abzuschöpfen (Art. 5 Abs. 1bis RPG). Wir erwarten, dass die auszuzonenden Gemeinden vollumfänglich entschädigt werden. Es kann nicht sein, dass wir auszonen müssen und dann auch noch die Grundeigentümer selbst entschädigen müssen. Damit wären wir gleich doppelt bestraft. Es braucht hier einen Ausgleichsmechanismus. Leider hat die Regierung im Richtplan wenig bis nichts durchblicken lassen, in welche Richtung die Reise geht. Aus der beiliegenden Auswertung geht hervor, dass in fast allen Kantonen bekannt ist, wie die Mehrwertabschöpfung aussehen wird – der Kanton Graubünden glänzt mit „keine Angabe“.
Besonders sauer stösst mir aber Folgendes auf: Die Teilrevision des kantonalen Raumplanungsgesetzes wäre für die Aprilsession 2018 vorgesehen gewesen. Schon das ist reichlich spät, wenn man bedenkt, dass wir seit 2014 Bescheid wissen, dass wir das Gesetz anpassen müssen. Nun hat aber die Regierung das Geschäft auf die Augustsession 2018 – also nach den Wahlen – verschoben. Das erstaunt doch einigermassen. Die heisse Kartoffel der Raumplanung wird vor sich her geschoben. Das ist schlecht für die Gesetzgebung und für die Sache: Die alten Kommissionen werden das Gesetz vorberaten und das neue Parlament in neuer Konstellation wird darüber befinden. Zudem wird die wichtige Entwicklung und Gesetzgebung damit abermals verschoben. Das ist kein sinnvolles Vorgehen und stösst auf Unverständnis. Wir brauchen endlich Planungssicherheit in diesem Kanton – in den Gemeinden und für die Wirtschaft.
Quelle: Lardi/Boldi (Hrsg.), Immobilienrecht, Handbuch zu rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten, Zürich/St. Gallen 2017, S. 19 (VLP-ASPAN).